Folgende Gedanken wurden 2009 in einem Programm bei dem Radiosender ZP 30 von mir gebracht.
Als
meine Freundin aus der Studienzeit nach ihrer Arbeit gefragt wurde, schrieb
sie:
Arbeitsgeber:
meine drei Kinder
Position: Leiterin
für häusliche und familiäre Angelegenheiten
Arbeitsbeschreibung:
füttern, spielen, tanzen, Computerspiele spielen, zu Spielgruppen fahren,
Aufsicht über die Verbreitung der Spielsachen, Baby-Beschützerin, Managerin von
Baby stillen, Kleideranzieherin, Windelwechslerin, Naseputzerin,
überschwengliche Verteilerin von Umarmungen und Küsse, nie aufhörende
Waschfrau.
Und
am Schluss fügte sie hinzu: glückliche Mutter.
Diese
Liste könnte jede Mutter von uns noch beliebig erweitern. Die Aufgaben einer
Mutter sind so zahlreich und vielfältig, dass sie kaum alle aufgeschrieben werden
können. Und doch fragt sich manch eine Mutter, ob sie genug für ihre Kinder
getan hat. Diese Fragen drängen sich besonders am Abend auf, wenn das Kind oder
die Kinder friedlich in ihren Betten schlafen. Sie sehen so unschuldig und
hilflos aus, dass unwillkürlich die Zweifel kommen: War ich heute zu streng?
Habe ich mir genug Zeit für sie genommen? War ich mal wieder zu nervös?
Diese
Fragen können auch am Muttertag auftauchen. Der überschwengliche Lob bei den
Muttertagsprogrammen löst vielleicht Schuldgefühle statt Dankbarkeit aus.
Schuldgefühle, weil uns bewusst wird, was wir alles unterlassen haben und was
wir hätten besser machen können. Schuldgefühle, weil wir uns mit der
Beschreibung einer idealen Mutter vergleichen und dabei jämmerlich versagen.
Sind
diese Schuldgefühle berechtigt? Bin ich als Mutter wirklich so schuldig, wie
ich manchmal glaube zu sein? Hat die Mutter immer schuld, wenn etwas schief
läuft?
Meine
Antwort: ich weiβ es nicht! Manchmal machen wir uns als Mutter schuldig.
Nächstes Mal ist es nur ein Gefühl. Wir fühlen uns schuldig. Ob eine Mutter
wirklich Schuld hat oder ob es nur Schuldgefühle sind, kann nicht allgemein
beantwortet werden. Jede Mutter/jede Frau muss diese Fragen für sich alleine beantworten.
Dazu will ich einige Anregungen geben. Wer sich ausführlicher mit diesem Thema
beschäftigen will, dem empfehle ich, dass Buch “Mütter sind nicht immer schuld”
von Annemarie Pfeiffer zu lesen.
Ursachen von Schuldgefühlen:
Schuldgefühle
können entstehen wenn wir uns mit der Beschreibung einer idealen Mutter
vergleichen. Wie ist eine ideale Mutter: sie ist ein Naturtalent (die geborene
Mutter), sie kennt die Bedürfnisse ihres Kindes, sie lebt nur für ihre Kinder,
sie hat erfolgreiche Kinder, sie macht ihre Kinder glücklich, sie geniesst die
Zeit der Mutterschaft und sie macht keine Fehler. Diese Beschreibung ist wie
die Latte beim Hochsprung. Sie liegt viel zu hoch und kann trotz aller
Anstrengung nicht erreicht werden. Hinterfragen wir doch diese Ideale. Die Antwort
lautet: NEIN.
Nein,
es gibt nicht die geborene Mutter. Manche Frauen sind mütterlicher als andere.
Doch die meisten von uns lernen mit den Jahren, eine Mutter zu sein.
Nein,
eine Mutter kann auch nicht alle Bedürfnisse des Kindes kennen und stillen. Es wäre
auch nicht gut für das Kind, weil es dadurch zu verwöhnt würde werden. Das Kind
lernt, mit Defiziten umzugehen und ist dadurch besser gerüstet für das Leben
Nein,
eine Mutter lebt nicht nur für ihre Kinder. Es ist sogar ungesund, wenn Mütter
nur für ihre Kinder da sind. Beide brauchen auch einmal Abstand voneinander, um
sich dann wieder aneinander zu freuen. Katzenmütter machen das auch. Sie stehen
irgendwann einfach mal auf, legen sich in einer gewissen Entfernung wieder hin
und erholen sich.
Erfolgreiche
Kinder sind nicht unbedingt erziehbar. Jedes Kind kann nur die Gaben entfalten,
die Gott ihm gegeben hat. Und: jede Person ist dafür verantwortlich, ob er
diese Gaben entwickelt oder nicht. Schuld daran ist nicht die Mutter.
Es
ist nicht die Hauptaufgabe einer Mutter, ihre Kinder glücklich zu machen. Glück
und Zufriedenheit kann erlernt werden. Als Mutter können wir mit unseren
Kindern gemeinsam lernen, glüchlich und zufrieden zu leben, trotz schwierigen
Verhältnissen. Doch Glück ist
letztendlich ein Geschenk von Gott.
Ist
Mutterschaft ein einziger Genuss? Nein. Wie in jeder Beziehung gibt es die
guten und die schlechten Tage. Wenn wir uns einreden, wir müssten jeden Tag als
Mutter genießen, werden wir mutlos werden.
Und
ein letztes groβes NEIN. Eine Mutter ist nicht perfekt. Eine Mutter macht
Fehler. Das ist sogar vorteilhaft für die Kinder. Sie lernen dadurch, dass auch
sie nicht perfekt sind. Und sie lernen
an unserem Beispiel, wie wir mit Fehlern umgehen. Die Herausforderung liegt
also darin, wie wir mit unserem Versagen umgehen.
Das
sind jetzt einige Ursachen von Schuldgefühlen. Schuldgefühle können durch
verschiedene Situationen ausgelöst werden. Die Frage ist, ob die Mutter sich
schuldig gemacht hat oder ob sie sich nur schuldig fühlt.
Unsere
fast dreijährige Tochter ist zur Zeit im Trotzalter. Neulich war ich mit meiner
Weisheit am Ende. Während ich unseren Sohn stillte, war ich ziemlich wütend
über sie und überlegte, was ich mit ihr tun sollte. Dabei merkte ich, dass ich
mir aus Frust härtere Strafen ausdachte, als notwendig waren. In dem Moment kam
sie ins Zimmer, brachte mir ungefragt ein Glas Wasser, umarmete mich und
lächelte mich an. Meine Wut und der ganze Frust schmolzen dahin und
Schuldgefühle nahmen Platz. Schuldgefühle über meine Wut und meine Frustration.
Berechtigung von Schuldgefühlen
Die
Frage ist, sind diese Schuldgefühle berechtigt? Habe ich mich ihr gegenüber
schuldig gemacht? Oder ist es nur ein Gefühl, dass mir sagt, dass ich schuldig
bin? Gefühle können ja bekanntlich täuschen.
Annemarie
Pfeiffer hat sich in ihrem Buch “Mütter sind nicht immer schuld” diese Frage
auch gestellt. Ist es echte Schuld oder unangebrachte Beschuldigungen? Durch
einige Fragen, kann diese Unterscheidung gemacht werden.
Erstens: Habe ich wissentlich ein biblisches Gebot
übertreten? Manchmal entstehen Schuldgefühle,
weil wir anders handeln, als die Gesellschaft es uns vorschreibt. Wenn wir
anders reagieren oder erziehen als die Allgemeinheit es tut, können
Schuldgefühle entstehen. Doch wenn mein Verhalten und meine Erziehung mit der
Bibel übereinstimmt, brauche ich kein schlechtes Gewissen haben.
Übrigens,
die Bibel gibt uns Eltern nur wenig konkrete Anweisungen zur Kindererziehung.
Manchmal wünschte ich mir, es würde in Kapitel 14, Vers 2 stehen, wie ich z.B.
mit dem Verhalten meines Sohnes umgehen sollte. Doch die Anweisungen sind eher
allgemein: wie wir Kinder respektieren, lehren und strafen sollen. Wie wir sie
in Gottes Wort unterrichten und ein Vorbild sein können. Doch wie wir das
praktisch jeden Tag tun, das hat Gott uns überlassen.
Zweitens: Wird von mir etwas Unmögliches verlangt? Annemarie Pfeiffer schreibt dazu: “Mütter sind auch nur
Menschen und haben das Geschick ihrer Kinder nicht allein in ihrer Hand. Leider
gibt es Ereignisse im Leben, die ich nicht beeinflussen kann und vor denen ich
die Kinder nicht schützen kann. Wenn etwas passiert, ist es nicht meine Schuld.”
Drittens: Wie weit reicht mein Einfluss? Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten und
bestimmen schon von jung, wie sie sich benehmen wollen. Trotz sorgfältiger Erziehung,
können sie Entscheidungen treffen, die uns nicht gefallen oder die unangenehm
sind. Die Schuld dann gleich bei der Mutter zu suchen, hilft nicht weiter. Das
Kind (ob jung oder älter) hat die Entscheidung getroffen, nicht die Mutter oder
der Vater. Gerne wird die Schuld bei den Eltern gesucht. Dann heißt es: “Hätten
die Eltern doch...” und dann kommen viele gute Ratschläge. Auch Kinder neigen
dazu zu sagen: “Wenn ihr doch dieses oder jenes getan hättet, dann...”
Natürlich entstehen durch solche Aussagen Schuldgefühle. Doch viele Beispiele
zeigen, dass Kinder aus schlimmen Verhältnissen hervorragende Persönlichkeiten
wurden. Sie hatten die Entscheidung getroffen, trotz allem, das Beste aus ihren
Leben zu machen. Andere Kinder, die alle Möglichkeiten hatten, machten jedoch
nichts oder nur wenig aus ihrem Leben. Die Entscheidung, wie wir mit dem Leben
umgehen, liegt bei einer jeden einzelnen Person. Wenn wir älter sind, können
wir die Schuld nicht mehr bei unseren Eltern suchen. Wir müssen uns entscheiden,
wie wir mit dem, was wir erlebt haben, umgehen wollen. Verbittern oder das
Beste daraus machen. Unsere Kinder müssen diese Entscheidung eines Tages auch
treffen. Der Einfluss einer Mutter reicht weit und doch ist er nicht
ausschlaggebend für das weitere Leben.
Wenn
wir unsere Schuldgefühle hinterfragen, können wir feststellen, ob es sich um
echte Schuld handelt oder um falsche Beschuldigungen. Dabei kann manchmal auch
das Gespräch mit dem Ehepartner oder einer Freundin sehr befreiend wirken. Wenn
wir dann echte Schuld erkennen, dürfen wir diese bekennen und Vergebung
erleben.
Zum
Schluss noch eine Aufforderung und eine
Ermutigung:
Die
Bibel fordert uns in 1. Thessolonicher 5,21 auf, alles zu prüfen und das Gute
zu behalten. Als Menschen neigen wir dazu, alles zu prüfen und das Negative zu
behalten. Besonders am Muttertag oder wenn wir über unser Muttersein
nachdenken. Was habe ich als Mutter gut gemacht? Was habe ich als Mutter falsch
gemacht? Das Gute beibehalten und aus den Fehlern lernen und es nächstes Mal
besser machen. Wir sind nicht perfekt. Und wenn wir die perfekte Mutter wären,
müssten unsere Kinder sich trotzdem für ihren eigenen Lebensweg entscheiden –
das können wir zwar beeinflussen, aber nicht bestimmen.
Und
ein letztes: das Bild aus Jesaja 40, Vers 11 gibt mir immer wieder neue Kraft
und Mut. Da heißt es so: “Er (Gott)
führt sein Volk wie ein guter Hirte, der die Lämmer auf seinen Arm nimmt und an
seiner Brust trägt und der die Mutterschafe behutsam leitet.”
Gott
hält meine Kinder in seinem Arm und er führt mich. Er leitet mich an, wie ich
eine gute Mutter für meine Kinder sein kann. Dabei hält er diese aber die ganze
Zeit in seinem Arm. Er lässt mich nicht allein mit dieser groβen Aufgabe. Er
führt mich. Ich muss nur in seiner Nähe bleiben.
Einen
schönen Muttertag – auch ohne Schuldgefühle wünsche ich alle Mütter!