Ich lese gerne Bücher ueber den minimalistischen Lebensstil. Beim Minimalismus geht es darum, das Leben zu vereinfachen. Je einfacher, desto freier ist der Mensch, so eine Grundhaltung der Minimalisten. Mir gefällt diese Einstellung. Es fasziniert mich, wie Menschen bewusst verzichten, um das Leben voll auszukosten.
Immer wieder suche ich mir Bücher, die diesen Lebensstil beschreiben und wende einige der Tips an, um mein Leben, meinen Haushalt und meinen Alltag zu vereinfachen. Das "weniger mehr" ist, erlebe ich, wenn ich die Methoden der Minimalisten anwende.
Diese Tage fand ich wieder ein praktisches Buch über den Minimalismus. Einige Ideen waren mir schon bekannt und bei einigen hatte ich Lust, sie gleich umzusetzen. Doch dann stieß ich auf einen Gedanken, der mich seitdem nicht mehr loslässt. Am Anfang wusste ich nicht, was er mit einem einfachen Lebensstil zu tun haben sollte, weil er -im ersten Moment - das Leben zu erschweren schien. Ein Vortrag von Anselm Grün, den ich in Youtube sah, bestätigte den gelesenen Gedanken. Heute morgen fand ich in den Psalmen, wie wertvoll die Anwendung dieser Idee ist. Noch habe ich kein genaues Bild, wie ich das Gelesene in meinem Leben praktisch anwenden kann, doch ich denke darüber nach und lasse es zu, dass es mich beschäftigt.
Das ist auch der Inhalt des Gedankens: das Zulassen und das Beschäftigen. Nämlich das Zulassen und Beschäftigen mit dem Schmerz in mir. Damit meine ich nicht körperliche Schmerzen. Ich spreche von einem innerlichen Schmerz. Es ist der seelische Schmerz. Der Schmerz, wenn ich abgelehnt werde. Der Schmerz, wenn ich verletzt worden bin – sei es durch Worte oder Handlungen. Der Schmerz, wenn ich eine traurige Geschichte lese und mir die Tränen hochsteigen. Der Schmerz, wenn Erlebnisse aus der Vergangenheit mich einholen. Der Schmerz, wenn ich das Unrecht auf dieser Welt wahrnehme und verzweifeln will.
Diesen Schmerz darf ich zulassen. Ich darf über das Unrecht dieser Welt weinen. Ich darf weinen, wenn ich abgelehnt oder verletzt werde. Ich darf Tränen zulassen, wenn mich ein Gedanke oder eine Geschichte tief in meinem Herzen bewegt. Indem ich den Schmerz zulasse, erlebe ich Befreiung und Freiheit. Wenn ich den Schmerz unterdrücke oder überspiele, werde ich sein Sklave. Und da fängt der minimalistische Lebensstil an. Das Zulassen von Schmerz bringt mich in eine neue Freiheit. Das Verdrängen macht mich jedoch zu einem Sklaven. Wie? Um den Schmerz zu verdrängen, suche ich Wege und Mittel um ihn zu vergessen. Ich stopfe mich voll Essen, um die innere Leere auszufüllen. Ich kaufe mir schöne, aber unnötige Dinge, um den Schmerz der Ablehnung zu umgehen. Ich rede schlecht über die Person, die mich verletzt hat, um den Schmerz besser auszuhalten. All diese Aktionen sollen mir helfen, meinen Schmerz zu übertönen und sie füllen mein Herz mit negativen Gedanken, meinen Körper mit unnötigen Kalorien und mein Haus mit unnötigen Sachen. Am Ende fühle ich mich nur noch schlechter und spüre den verdrängten Schmerz doppelt und so dreht sich der Kreis wieder.
Wenn ich den Schmerz zulasse, geht es mir wahrscheinlich ein Weilchen sehr schlecht. Das ist auch, wie einige Psychologen behaupten wollen, der Grund für die vielen Depressionen und Angstattacken. Wir glauben, wir müssen uns immer gut fühlen. Wir müssen immer gut drauf sein und lächeln. Deshalb brauchen wir all diese Hilfsmittel wie Essen, shoppen gehen, schlecht über andere reden, mich andauernd beschäftigen, Internetsucht usw. Für eine ganz kurze Zeit geht es mir besser und dann meldet sich der Schmerz zurück.
Wenn ich es zulasse, dass der Schmerz mich einholt brauche ich viel Kraft ihn auszuhalten. Wenn ich diese Kraft aufbringe, bin ich am Ende noch stärker. Das Zulassen des inneren Schmerzes macht mich stärker, statt schwächer. Ich sehe am Ende klarer. Kann die Ablehnung und die Verletzung besser ertragen. Kann sie gelassener nehmen. Warum? Weil ich merke, dass auch ich ablehne und verletze. Indem ich den menschlichen Schmerz in mir zulasse, erkenne ich, wie menschlich ich bin. Und ich lebe leichter. Das Motto des Minimalismus. Zugelassener Schmerz verschwindet mit der Zeit. Unterdrückter Schmerz wächst in mir und wird größer und fordernder. Ich brauche immer mehr Hilfsmittel, um ihn unter Kontrolle zu halten.
Was mich heute Morgen beim Nachdenken über diese Gedanken einfach umgehauen hat, war ein Vers aus Psalm 56 Vers 9: “Du zählst alle meine Klagen und sammelst alle meine Tränen in einem Gefäß, ja, du hast jede einzelne in deinem Buch festgehalten.” Gott, der Allmächtige, sieht meine Tränen. Er nimmt sie wahr. Sie sind ihm nicht egal. In Gegenteil, er führt Buch über meinen Schmerz. Während ich meine Schmerzen verdränge, schreibt Gott sie auf. Während ich shoppen gehe um mich zu betäuben, sammelt Gott meine Tränen auf. Während ich schlecht über andere rede, um den Schmerz auszuhalten, zählt er meine Verletzungen. Diese Erkenntnis hat mich umgeworfen.
Gott sieht meinen Schmerz und ich darf es auch. Wenn ich meinen Schmerz zulasse, lasse ich in Wirklichkeit los. Durch meine Tränen kann der Schmerz der Ablehnung oder der Verletzung weggeschwemmt werden. Sie schwimmt direkt in Gottes Gefäß, der sie für mich sammelt. Und ich werde frei. Frei für ein Leben ohne unnötigen Ballast. Ich werde frei und brauche nicht unnötige Kalorien in mich hineinstopfen. Ich werde frei vom Drang Sachen zu kaufen, die mein Haus und meinen Kleiderschrank füllen, aber mein Herz leer lassen. Ich werde frei von negativen Gedanken und Worte über meinen Nächsten.
Zulassen bedeutet loslassen. Ich lasse die inneren Schmerzen in mir los. Gott kennt sie. Er sieht sie. Er hat sie schon gezählt und aufgeschrieben. Wenn er meinen Schmerz aushält, kann ich es auch. Die Freiheit wartet hinter den Tränen auf mich. Schmerz zulassen um frei zu werden. Eines der Gründe, warum mich der minimalistischen Lebensstil fasziniert.
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