Nach einiger Zeit opferte Kain dem Herrn einen Teil seiner Ernte. Und auch Abel opferte ihm von den erstgeborenen Lämmern aus seiner Herde und von ihrem Fett. Der Herr sah wohlwollend auf Abel und nahm sein Opfer an, Kain und sein Opfer jedoch wies er zurück. Da wurde Kain sehr zornig und er blickte grimmig zu Boden.
1. Mose 4, 4-5
Später schlug Kain seinem Bruder Abel vor: “Komm, wir gehen aufs Feld hinaus.” Als sie dort waren, fiel Kain über seinen Bruder her und schlug ihn tot.
1. Mose 4, 8
Ein afrikanischer Christ beschreibt den Missionaren seinen geistlichen Kampf als ein Kampf zwischen einem schwarzen und weißen Hund. Der Hund, der das meiste Futter bekommt, gewinnt. Diese Geschichte ist mir zwar verständlich, doch die Kämpfe in mir konnte ich bis jetzt nicht auf einen Hundekampf reduzieren. Statt Hunde, scheinen eher, um mit Goethe zu sprechen, zwei Seelen in mir zu wohnen. Und als ich die Geschichte von Kain und Abel las, bekamen die Seelen Namen.
An manchen Tagen bin ich Abel. Ich will das Gute und tue es auch, ich gebe Gott mein Bestes und trotzdem widerfährt mir Böses. Ich helfe und werde abgelehnt. Ich liebe und werde dafür gehasst. Ich opfere meine Zeit und bekomme keinen Dank dafür. Ich schenke und werde bestohlen. Ich rede gut über andere und andere reden schlecht über mich.
An manchen Tagen bin ich Kain. Ich werde wütend, wenn Gott meine Wünsche nicht erfüllt. Ich habe doch so lange gebetet und soviel geopfert und erreiche mein Ziel trotzdem nicht. Wut und Zorn überkommen mich. Wie kann Gott ein liebender Vater sein, wenn er mir den einfachsten Wunsch nicht erfüllt?! Ich habe doch so um einen Partner gebeten und Gott schließt jeden nur möglichen Weg. Und dann diese Bekannte, hat keine Ausstrahlung, keine Ausbildung, keine Lebensziele und sie bekommt so einen guten Mann. Das ist ungerecht! Wie kann Gott nur? Schon fallen böse, negative Worte über diese Person. Oder: Ich habe doch so hart gearbeitet, um mir etwas finanzielle Sicherheit aufzubauen und doch kommt ein Schlag nach dem anderen. Sieht Gott mich überhaupt? Meinen Nachbarn hat er wohl gesehen, denn der hat sich noch nur selten überarbeitet und trotzdem ein großes Erbe von seinem Vater bekommen. Wie kann Gott so ungerecht sein und die Falschen belohnen. Wieder fallen böse, negative Worte über die andere Person.
Abel und Kain – beide in mir vereint. Gott sah wohlwollend auf Abel und trotzdem wurde er von seinem Bruder umgebracht. Kain hatte die Möglichkeit sich zu ändern und entschied sich trotzdem für einen Mord. Wie kann Gott wohlwollend auf Abel schauen und trotzdem so eine schreckliche Tat zulassen? Warum hat Gott nicht die Hand vorgehalten? Warum beschützt Gott nicht die guten Menschen? Viele haben schon versucht eine Antwort auf diese Frage zu finden. Ich glaube, jeder muss diese Frage für sich selber beantworten. Es gibt keine allgemeine Antwort, die allen zufriedenstellen wird.
Wenn ich an die zwei Seelen in meiner Brust denke, die sich Abel und Kain nennen, weiß ich, dass ich Gottes Schutz nicht verdient habe. Ich bin nicht jeden Tag Abel. Ich bin nicht jeden Tag nur gut. Ich bin auch Kain. Ich verletze und töte mit meinen Worten und Taten. Wenn ich mich darauf verlassen sollte, dass Gott nur die guten Menschen beschützt, dann bekomme ich seinen Schutz nicht. Gott gab Kain nach dem Mord ein Zeichen, damit ihn niemand töten sollte. Gott beschützte Kain. Auch wenn ich den Kampf zwischen Gut und Böse verliere, beschützt Gott mich. Da Gott weiß, dass ich ständig zwischen Abel und Kain wechsle, beschützt er mich – auf seine Weise. Wenn ich durch die Augen Kains sehe, verstehe ich seinen Schutz nicht und werde wütend, wenn mir etwas zustösst oder meine Wünsche sich nicht erfüllen. Wenn ich durch die Augen Abels blicke, sehe ich sein Wohlwollen und seine Liebe.
Liebe ist auch das Wort das über Abel und Kain steht. Abel opferte Gott das Beste und wurde getötet. Was hat das mit Liebe zu tun? Mutter Theresa soll folgendes gesagt haben:
“Die Menschen sind unvernünftig, irrational und egoistisch.
Liebe diese Mensche trotzdem.
Wenn du Gutes tust, werden dich die Menschen beschuldigen, dabei selbstsüchtige Hintergedanken zu haben.
Tue trotzdem Gutes.
Wenn du erfolgreich bist, gewinnst du falsche Freunde und wahre Feinde.
Sei trotzdem erfolgreich.
Das Gute, das du heute getan hast, wird morgen schon vergessen sein.
Tue trotzdem Gutes.
Ehrlichkeit und Offenheit machen dich verwundbar.
Sei trotzdem ehrlich und offen.
Die Menschen bemitleiden Verlierer, doch sie folgen nur den Gewinnern.
Kämpfe trotzdem für ein paar von den Verlierern.
Woran du Jahre gebaut hast, das mag über Nacht zerstört werden.
Baue trotzdem weiter.
Die Menschen brauchen wirklich Hilfe, doch es kann sein, dass sie dich angreifen, wenn du ihnen hilfst.
Hilf diesen Menschen trotzdem.
Gib der Welt das Beste, was du hast, und du wirst zum Dank dafür einen Tritt erhalten.
Gib der Welt trotzdem das Beste.
Letztendlich ist dann alles eine Angelegenheit zwischen dir und Gott.
Sowieso war es nie eine Angelegenheit zwischen dir und anderen.”
Abel brachte Gott nicht ein Opfer um beschützt zu werden, sondern um sein Wohlwollen zu bekommen. Lieben um der Liebe willen und nicht um Schutz oder Erfolg zu bekommen.
Und wie können wir den Kain in uns durch Liebe ersetzen? Wir haben vielleicht noch nie einen Menschen umgebracht und doch können unsere Worte und unsere Taten töten. Das Gebot “Du sollst nicht töten” steht nur paar Sätze über “Du sollst keine falsche Aussage über einen deiner Mitmenschen machen.” Paulus drückt es in Römer 13, 9-10: “Die Gebote gegen Ehebruch, Mord, Diebstahl und Begehren sind – wie auch alle anderen Gebote – in diesem einen Gebot zusammengefasst: ´Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.´ Die Liebe fügt niemandem Schaden zu; deshalb ist die Liebe die Erfüllung von Gottes Gesetz.”
Liebe ist die Antwort, wenn ich Abel bin. Liebe ist die Antwort, wenn Kain in mir herrscht. Liebe ist auch die Antwort, wenn jemand mich verletzt und Schaden zufügt. Gott sieht mich und liebt mich, auch wenn der Kampf zweier Seelen in mir weitergeht. Seine Antwort auf den Kampf ist seine Liebe.
"Letztendlich ist dann alles eine Angelegenheit zwischen dir und Gott.
AntwortenLöschenSowieso war es nie eine Angelegenheit zwischen dir und anderen.”
Danke,wahrscheinlich bin ich doch nicht die einzige, die diesen Kampf in sich führt! Du hast das so gut in Worte gefasst.