In einem Gedicht, das unsere Tochter auswendiglernte, lautete eine Strophe: Leute packen, basteln, laufen, grübeln, suchen, rennen, kaufen, kochen, backen, braten, waschen, rätseln, wispern, flüstern, naschen, schreiben Briefe, Wünsche, Karten... Das ist die eine Seite von Weihnachten. Die andere Seite sieht so aus: Leute weinen, trauern, suchen nach dem Lebenssinn, zerbrechen, sind verzweifelt, brauchen Liebe und Geborgenheit.
Neulich hörte ich, dass eine Frau ganz stolz darauf war, dass sie fast alle Schränke für Weihnachten entrümpelt und geputzt hatte. Zur gleichen Zeit weinte eine andere Frau, weil ihr Kind zu Weihnachten nicht nach Hause kommen möchte. Eine Familie verausgabt sich finanziell mit den Geschenken, während die andere Familie weinend am Grab steht und sich fragt, wie sie diese Weihnachten überleben soll.
Dieses Jahr habe ich bewusst auf allen Weihnachtsrummel verzichtet. Keinen Weihnachtsmarkt oder -ausstellung besucht. Nur wenige Geschenke gekauft. Und auf aufwendige Dekoration verzichtet. Maria und Joseph stehen mit dem Jesuskind im Aufenthaltsraum und erinnern mich daran, Raum zu schaffen für Menschen, die Liebe brauchen. Ein trockener Ast dient als Weihnachtsbaum. Die Kinder basteln die Deko für den Baum selber. (Es hat schon interessante Aussagen zum Baum gegeben. Von "Endlich mal nicht den traditionellen Baum" bis "Das ist ja kein richtiger Weihnachtsbaum".)
Jeden Tag lesen mein Mann und ich ein Kapitel aus dem Lukasevangelium und ein Kapitel aus dem Buch von Max Lucado "Staunen über den Erlöser." Immer wieder packt es uns, dass Jesus so ganz anders war als wir es uns vorgestellt haben. Das eigene Denk- und Wertesystem wird in Frage gestellt. Er fordert auf, Traditionen zu hinterfragen statt blindlings zu folgen. Er ermutigt zu vergeben und das siebenmal hintereinander an einem Tag dasselbe Unrecht. Er bittet uns, nicht zu verurteilen, sondern denen etwas Gutes zu tun, die uns hassen. Und er warnt uns, dass er, Jesus, nicht gekommen ist, den gewünschten Frieden zu bringen. An ihm werden Familien zerbrechen. Gleichzeitig zeigt er, dass Familie ein viel weiterer Begriff ist, als wir ihn kennen. Familie ist, wer ihm nachfolgt.
Langsam verstehe ich, warum die Menschheit sich in zwei Teile spaltet. Die eine Seite hetzt und hält sich beschäftigt, die andere Seite weint und verzweifelt fast am Leben. Es ist leichter, sich mit vielen Aktivitäten abzulenken, statt sich mit den Abgründen des Lebens auseinanderzusetzen. Es ist leichter, Geschenke zu kaufen, statt ein Wort der Vergebung auszusprechen. Es ist leichter, Traditionen einzuhalten, statt etwas Neues zu wagen und Kritik zu bekommen. Die andere Seite, die die trauern und verzweifelt sind, haben es viel, viel schwerer. Sie haben zusätzlich noch den Druck, dass Weihnachten ein schönes Fest sein müsste. Sie glauben, sie müssen sich freuen. Schliesslich steht ja auf fast jeder Weihnachtskarte "Frohe Weihnachten".
Jesus kam nicht auf diese Welt, damit wir eine frohe Weihnachten feiern können. Jesus kam auch nicht, um uns ein leichteres, glücklicheres Leben anzubieten. Wer aufmerksam das Lukasevangelium liest, wird herausgefordert, eine Entscheidung zu treffen, die das ganze Leben verändert. Eine Veränderung, die Familien zerbrechen lassen kann, die keinen Sinn im Weihnachtsrummel sieht und die Traditionen Traditionen sein lässt.
Jesus kam auf diese Welt, um uns das Geschenk der Gnade zu geben. Jesus kam, um uns aus dem Mittelpunkt zu nehmen und Gott ins Zentrum zu stellen. Das ist die "Frohe Weihnacht", die er uns anbietet. Frohe Weihnachten - ab heute bist du nicht mehr der MIttelpunkt deines Lebens. Frohe Weihnachten - deine Familie wird es nicht verstehen, wenn du mir ganz nachfolgst. Frohe Weihnachten - du wirst Trauer und Verzweiflung erleben. Frohe Weihnachten - du bist frei von Traditionen und damit jeglicher Kritik ausgesetzt.
Kein Wunder, dass einige sich in den vielen Weihnachtsaktivitäten stürzen und sich nicht mit dem tieferen Geschehen dieser Tage auseinandersetzen. Kein Wunder, dass der andere Teil verzweifelt ist und überlegt, ob das der Sinn des Lebens sein kann. Und langsam frage ich mich, ob der letzte Teil nicht die echte "Frohe Weihnachten" erlebt. Sie erleben etwas, dass mit Worten nicht zu beschreiben geht. Eine Freude, die tiefer geht als die normale Freude. Trost, der mit menschlichen Worten, nicht ausgesprochen werden kann. Eine Zusammengehörigkeit mit anderen Christen, die die eigene Familie nicht schaffen kann. Eine Freiheit, die unbezahlbar ist.
Diese "Frohe Weihnachten" kommt mit einem Preis, den nur wenige bereit sind zu zahlen. Sich aus dem Mittelpunkt zu nehmen, sich in die Täler des Lebens zu begeben und auf Anerkennung der Menschen zu verzichten ist keine leichte Entscheidung. Die Folgen sind schmerzhaft und die Belohnung lässt manchmal lange auf sich warten. Und doch. Und doch ist es eine Entscheidung, die sich lohnt. Nur, wer bereit ist, zu verzichten. Nur wer Gott ins Zentrum seines Lebens stellt, statt sich, wird wahre und tiefe Freude erfahren. Der wird das Leben in Fülle leben, dass Jesus versprach. Der wird die wahre "Frohe Weihnachten" erleben, die uns auf den Weihnachtskarten gewünscht wird.
"Versuchen wir, Weihnachten im wahren Geist des Evangeliums zu leben, indem wir Jesus in die Mitte unseres Lebens stellen." (Jorge Mario Bergoglio) Papst Franziskus. Das wünsche ich dir. Das Lukasevangelium kann dir dabei helfen, Jesus immer weiter ins Zentrum deines Lebens zu stellen und die wahre "Frohe Weihnachten" zu erleben.
Danke für diese Worte. Sehr gut ausgedrückt. Ist genau wie ich auch denke. Gesegnete (nicht nur frohe) Weihnachten euch als Familie.
AntwortenLöschenDanke Paul und Cornelia! Das wuensche ich euch auch als Familie!!
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