Montag, 30. Dezember 2013

Frei sein dank der Tränen in meinen Augen

Ich lese gerne Bücher ueber den minimalistischen Lebensstil. Beim Minimalismus geht es darum, das Leben zu vereinfachen. Je einfacher, desto freier ist der Mensch, so eine Grundhaltung der Minimalisten. Mir gefällt diese Einstellung. Es fasziniert mich, wie Menschen bewusst verzichten, um das Leben voll auszukosten.
Immer wieder suche ich mir Bücher, die diesen Lebensstil beschreiben und wende einige der Tips an, um mein Leben, meinen Haushalt und meinen Alltag zu vereinfachen. Das "weniger mehr" ist, erlebe ich, wenn ich die Methoden der Minimalisten anwende.
Diese Tage fand ich wieder ein praktisches Buch über den Minimalismus. Einige Ideen waren mir schon bekannt und bei einigen hatte ich Lust, sie gleich umzusetzen. Doch dann stieß ich auf einen Gedanken, der mich seitdem nicht mehr loslässt. Am Anfang wusste ich nicht, was er mit einem einfachen Lebensstil zu tun haben sollte, weil er -im ersten Moment - das Leben zu erschweren schien. Ein Vortrag von Anselm Grün, den ich in Youtube sah, bestätigte den gelesenen Gedanken. Heute morgen fand ich in den Psalmen, wie wertvoll die Anwendung dieser Idee ist. Noch habe ich kein genaues Bild, wie ich das Gelesene in meinem Leben praktisch anwenden kann, doch ich denke darüber nach und lasse es zu, dass es mich beschäftigt.
Das ist auch der Inhalt des Gedankens: das Zulassen und das Beschäftigen. Nämlich das Zulassen und Beschäftigen mit dem Schmerz in mir. Damit meine ich nicht körperliche Schmerzen. Ich spreche von einem innerlichen Schmerz. Es ist der seelische Schmerz. Der Schmerz, wenn ich abgelehnt werde. Der Schmerz, wenn ich verletzt worden bin – sei es durch Worte oder Handlungen. Der Schmerz, wenn ich eine traurige Geschichte lese und mir die Tränen hochsteigen. Der Schmerz, wenn Erlebnisse aus der Vergangenheit mich einholen. Der Schmerz, wenn ich das Unrecht auf dieser Welt wahrnehme und verzweifeln will.
Diesen Schmerz darf ich zulassen. Ich darf über das Unrecht dieser Welt weinen. Ich darf weinen, wenn ich abgelehnt oder verletzt werde. Ich darf Tränen zulassen, wenn mich ein Gedanke oder eine Geschichte tief in meinem Herzen bewegt. Indem ich den Schmerz zulasse, erlebe ich Befreiung und Freiheit. Wenn ich den Schmerz unterdrücke oder überspiele, werde ich sein Sklave. Und da fängt der minimalistische Lebensstil an. Das Zulassen von Schmerz bringt mich in eine neue Freiheit. Das Verdrängen macht mich jedoch zu einem Sklaven. Wie? Um den Schmerz zu verdrängen, suche ich Wege und Mittel um ihn zu vergessen. Ich stopfe mich voll Essen, um die innere Leere auszufüllen. Ich kaufe mir schöne, aber unnötige Dinge, um den Schmerz der Ablehnung zu umgehen. Ich rede schlecht über die Person, die mich verletzt hat, um den Schmerz besser auszuhalten. All diese Aktionen sollen mir helfen, meinen Schmerz zu übertönen und sie füllen mein Herz mit negativen Gedanken, meinen Körper mit unnötigen Kalorien und mein Haus mit unnötigen Sachen. Am Ende fühle ich mich nur noch schlechter und spüre den verdrängten Schmerz doppelt und so dreht sich der Kreis wieder.
Wenn ich den Schmerz zulasse, geht es mir wahrscheinlich ein Weilchen sehr schlecht. Das ist auch, wie einige Psychologen behaupten wollen, der Grund für die vielen Depressionen und Angstattacken. Wir glauben, wir müssen uns immer gut fühlen. Wir müssen immer gut drauf sein und lächeln. Deshalb brauchen wir all diese Hilfsmittel wie Essen, shoppen gehen, schlecht über andere reden, mich andauernd beschäftigen, Internetsucht usw. Für eine ganz kurze Zeit geht es mir besser und dann meldet sich der Schmerz zurück.
Wenn ich es zulasse, dass der Schmerz mich einholt brauche ich viel Kraft ihn auszuhalten. Wenn ich diese Kraft aufbringe, bin ich am Ende noch stärker. Das Zulassen des inneren Schmerzes macht mich stärker, statt schwächer. Ich sehe am Ende klarer. Kann die Ablehnung und die Verletzung besser ertragen. Kann sie gelassener nehmen. Warum? Weil ich merke, dass auch ich ablehne und verletze. Indem ich den menschlichen Schmerz in mir zulasse, erkenne ich, wie menschlich ich bin. Und ich lebe leichter. Das Motto des Minimalismus. Zugelassener Schmerz verschwindet mit der Zeit. Unterdrückter Schmerz wächst in mir und wird größer und fordernder. Ich brauche immer mehr Hilfsmittel, um ihn unter Kontrolle zu halten.
Was mich heute Morgen beim Nachdenken über diese Gedanken einfach umgehauen hat, war ein Vers aus Psalm 56 Vers 9: “Du zählst alle meine Klagen und sammelst alle meine Tränen in einem Gefäß, ja, du hast jede einzelne in deinem Buch festgehalten.” Gott, der Allmächtige, sieht meine Tränen. Er nimmt sie wahr. Sie sind ihm nicht egal. In Gegenteil, er führt Buch über meinen Schmerz. Während ich meine Schmerzen verdränge, schreibt Gott sie auf. Während ich shoppen gehe um mich zu betäuben, sammelt Gott meine Tränen auf. Während ich schlecht über andere rede, um den Schmerz auszuhalten, zählt er meine Verletzungen. Diese Erkenntnis hat mich umgeworfen.
Gott sieht meinen Schmerz und ich darf es auch. Wenn ich meinen Schmerz zulasse, lasse ich in Wirklichkeit los. Durch meine Tränen kann der Schmerz der Ablehnung oder der Verletzung weggeschwemmt werden. Sie schwimmt direkt in Gottes Gefäß, der sie für mich sammelt. Und ich werde frei. Frei für ein Leben ohne unnötigen Ballast. Ich werde frei und brauche nicht unnötige Kalorien in mich hineinstopfen. Ich werde frei vom Drang Sachen zu kaufen, die mein Haus und meinen Kleiderschrank füllen, aber mein Herz leer lassen. Ich werde frei von negativen Gedanken und Worte über meinen Nächsten.
Zulassen bedeutet loslassen. Ich lasse die inneren Schmerzen in mir los. Gott kennt sie. Er sieht sie. Er hat sie schon gezählt und aufgeschrieben. Wenn er meinen Schmerz aushält, kann ich es auch. Die Freiheit wartet hinter den Tränen auf mich. Schmerz zulassen um frei zu werden. Eines der Gründe, warum mich der minimalistischen Lebensstil fasziniert.

Samstag, 28. Dezember 2013

Mehr als nur biblische Geschichten: Abel und Kain – Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust

Nach einiger Zeit opferte Kain dem Herrn einen Teil seiner Ernte. Und auch Abel opferte ihm von den erstgeborenen Lämmern aus seiner Herde und von ihrem Fett. Der Herr sah wohlwollend auf Abel und nahm sein Opfer an, Kain und sein Opfer jedoch wies er zurück. Da wurde Kain sehr zornig und er blickte grimmig zu Boden.
1. Mose 4, 4-5

Später schlug Kain seinem Bruder Abel vor: “Komm, wir gehen aufs Feld hinaus.” Als sie dort waren, fiel Kain über seinen Bruder her und schlug ihn tot.
1. Mose 4, 8

Ein afrikanischer Christ beschreibt den Missionaren seinen geistlichen Kampf als ein Kampf zwischen einem schwarzen und weißen Hund. Der Hund, der das meiste Futter bekommt, gewinnt. Diese Geschichte ist mir zwar verständlich, doch die Kämpfe in mir konnte ich bis jetzt nicht auf einen Hundekampf reduzieren. Statt Hunde, scheinen eher, um mit Goethe zu sprechen, zwei Seelen in mir zu wohnen. Und als ich die Geschichte von Kain und Abel las, bekamen die Seelen Namen.
An manchen Tagen bin ich Abel. Ich will das Gute und tue es auch, ich gebe Gott mein Bestes und trotzdem widerfährt mir Böses. Ich helfe und werde abgelehnt. Ich liebe und werde dafür gehasst. Ich opfere meine Zeit und bekomme keinen Dank dafür. Ich schenke und werde bestohlen. Ich rede gut über andere und andere reden schlecht über mich.
An manchen Tagen bin ich Kain. Ich werde wütend, wenn Gott meine Wünsche nicht erfüllt. Ich habe doch so lange gebetet und soviel geopfert und erreiche mein Ziel trotzdem nicht. Wut und Zorn überkommen mich. Wie kann Gott ein liebender Vater sein, wenn er mir den einfachsten Wunsch nicht erfüllt?! Ich habe doch so um einen Partner gebeten und Gott schließt jeden nur möglichen Weg. Und dann diese Bekannte, hat keine Ausstrahlung, keine Ausbildung, keine Lebensziele und sie bekommt so einen guten Mann. Das ist ungerecht! Wie kann Gott nur? Schon fallen böse, negative Worte über diese Person. Oder: Ich habe doch so hart gearbeitet, um mir etwas finanzielle Sicherheit aufzubauen und doch kommt ein Schlag nach dem anderen. Sieht Gott mich überhaupt? Meinen Nachbarn hat er wohl gesehen, denn der hat sich noch nur selten überarbeitet und trotzdem ein großes Erbe von seinem Vater bekommen. Wie kann Gott so ungerecht sein und die Falschen belohnen. Wieder fallen böse, negative Worte über die andere Person.
Abel und Kain – beide in mir vereint. Gott sah wohlwollend auf Abel und trotzdem wurde er von seinem Bruder umgebracht. Kain hatte die Möglichkeit sich zu ändern und entschied sich trotzdem für einen Mord. Wie kann Gott wohlwollend auf Abel schauen und trotzdem so eine schreckliche Tat zulassen? Warum hat Gott nicht die Hand vorgehalten? Warum beschützt Gott nicht die guten Menschen? Viele haben schon versucht eine Antwort auf diese Frage zu finden. Ich glaube, jeder muss diese Frage für sich selber beantworten. Es gibt keine allgemeine Antwort, die allen zufriedenstellen wird.
Wenn ich an die zwei Seelen in meiner Brust denke, die sich Abel und Kain nennen, weiß ich, dass ich Gottes Schutz nicht verdient habe. Ich bin nicht jeden Tag Abel. Ich bin nicht jeden Tag nur gut. Ich bin auch Kain. Ich verletze und töte mit meinen Worten und Taten. Wenn ich mich darauf verlassen sollte, dass Gott nur die guten Menschen beschützt, dann bekomme ich seinen Schutz nicht. Gott gab Kain nach dem Mord ein Zeichen, damit ihn niemand töten sollte. Gott beschützte Kain. Auch wenn ich den Kampf zwischen Gut und Böse verliere, beschützt Gott mich. Da Gott weiß, dass ich ständig zwischen Abel und Kain wechsle, beschützt er mich – auf seine Weise. Wenn ich durch die Augen Kains sehe, verstehe ich seinen Schutz nicht und werde wütend, wenn mir etwas zustösst oder meine Wünsche sich nicht erfüllen. Wenn ich durch die Augen Abels blicke, sehe ich sein Wohlwollen und seine Liebe.
Liebe ist auch das Wort das über Abel und Kain steht. Abel opferte Gott das Beste und wurde getötet. Was hat das mit Liebe zu tun? Mutter Theresa soll folgendes gesagt haben:

“Die Menschen sind unvernünftig, irrational und egoistisch.
Liebe diese Mensche trotzdem.
Wenn du Gutes tust, werden dich die Menschen beschuldigen, dabei selbstsüchtige Hintergedanken zu haben.
Tue trotzdem Gutes.
Wenn du erfolgreich bist, gewinnst du falsche Freunde und wahre Feinde.
Sei trotzdem erfolgreich.
Das Gute, das du heute getan hast, wird morgen schon vergessen sein.
Tue trotzdem Gutes.
Ehrlichkeit und Offenheit machen dich verwundbar.
Sei trotzdem ehrlich und offen.
Die Menschen bemitleiden Verlierer, doch sie folgen nur den Gewinnern.
Kämpfe trotzdem für ein paar von den Verlierern.
Woran du Jahre gebaut hast, das mag über Nacht zerstört werden.
Baue trotzdem weiter.
Die Menschen brauchen wirklich Hilfe, doch es kann sein, dass sie dich angreifen, wenn du ihnen hilfst.
Hilf diesen Menschen trotzdem.
Gib der Welt das Beste, was du hast, und du wirst zum Dank dafür einen Tritt erhalten.
Gib der Welt trotzdem das Beste.
Letztendlich ist dann alles eine Angelegenheit zwischen dir und Gott.
Sowieso war es nie eine Angelegenheit zwischen dir und anderen.”

Abel brachte Gott nicht ein Opfer um beschützt zu werden, sondern um sein Wohlwollen zu bekommen. Lieben um der Liebe willen und nicht um Schutz oder Erfolg zu bekommen.
Und wie können wir den Kain in uns durch Liebe ersetzen? Wir haben vielleicht noch nie einen Menschen umgebracht und doch können unsere Worte und unsere Taten töten. Das Gebot “Du sollst nicht töten” steht nur paar Sätze über “Du sollst keine falsche Aussage über einen deiner Mitmenschen machen.” Paulus drückt es in Römer 13, 9-10: “Die Gebote gegen Ehebruch, Mord, Diebstahl und Begehren sind – wie auch alle anderen Gebote – in diesem einen Gebot zusammengefasst: ´Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.´ Die Liebe fügt niemandem Schaden zu; deshalb ist die Liebe die Erfüllung von Gottes Gesetz.”
Liebe ist die Antwort, wenn ich Abel bin. Liebe ist die Antwort, wenn Kain in mir herrscht. Liebe ist auch die Antwort, wenn jemand mich verletzt und Schaden zufügt. Gott sieht mich und liebt mich, auch wenn der Kampf zweier Seelen in mir weitergeht. Seine Antwort auf den Kampf ist seine Liebe.

Dienstag, 24. Dezember 2013

Es geht nicht um mich

Es geht nicht um mich und gerade deshalb bin ich einzigartig und geliebt. Es geht nicht um mich in diesem Leben und auf dieser Welt. Es geht nicht um meine Bedürfnisse. Es geht nicht darum, wie ich mich fühle und wie es mir geht. Es geht einfach nicht um mich.
Hart, aber wahr. Es geht nicht um mich. Dieser Satz will sich nicht in meinen Gedanken festsetzen. Alles in mir wehrt sich dagegen. Es soll nämlich um mich gehen. Ich kann mich selbst nicht loslassen. Verzweifelt suche ich Argumente, warum es doch um mich gehen soll. Der Körper spielt mit und ich werde buchstäblich krank. Und das nur, weil ich mich gegen diese Wahrheit wehre: Es geht nicht um mich.
Damit es nicht um mich geht, gab Gott das Beste für mich. Eigentlich ein Widerspruch, nicht wahr? Damit es nicht um mich geht in diesem Leben und auf dieser Welt, gab der Mächtigste und Größte das Beste. Gott ließ seinen Sohn Jesus Christus auf diese Welt kommen, damit ich von meiner Ich-Sucht befreit werden konnte. Er gab alles, damit ich aufhören kann um mich selbst zu drehen. Er gab mir das Liebste, das Beste, das Heiligste, das größte Opfer aller Zeiten, damit es nicht mehr um mich geht.
Dieser Gedanke ist so groß, dass ich ihn nur teilweise und manchmal auch nur zeitweise verstehe. Es gibt kurze Momente, wo ich mir dieser wunderbaren Wahrheit bewusst bin und ich kann von mir wegschauen und über diesen Gedanken staunen.
Gott liebt mich so sehr, dass er das Beste gab, damit ich von mir loslassen kann. Er, der Allmächtige, sieht meinen Egoismus und meine Selbstsucht. Er sieht, wie zerstörerisch es ist, wenn sich alles um mich selbst drehen soll. Er sieht meinen seelischen und körperlichen Schmerz, der dadurch verursacht wird. Und er will mich frei machen. Frei von den Umdrehungen um mich selbst. Frei von unerfüllten Bedürfnissen und Sehnsüchten. Frei von mich selbst.
Er gab seinen Sohn. Er ließ das Beste los, damit ich mich selbst loslassen kann. Er gab auf, damit ich aufnehmen kann. Damit ich aufnehmen kann, muss ich von mir wegschauen und auf das Schauen, was Gott mir gibt. Seinen Sohn. Das Beste und Liebste was er je hatte. Gott hat losgelassen um zu geben. Ich darf loslassen um aufzunehmen. Ich werde beschenkt, wenn ich das kostbarste aller Geschenke annehme.
Es geht nicht um mich. Es geht um das Geschenk, dass wir diese Tage feiern. Es geht um die Geburt Jesu. Es geht um den Sohn Gottes. Gott gab, damit ich loslassen kann. Nur wenn ich loslasse, kann ich die Liebe Gottes in meinem Leben erfahren. Nur wenn ich loslasse, werde ich erkennen, wie geliebt und wertvoll ich bin. Deshalb geht es nicht um mich. Nicht in diesem Leben und nicht auf dieser Welt. Zu keinem Zeitpunkt geht es um mich! Es geht um die Erfüllung aller Bedürfnisse, die ich erleben kann, wenn ich aufhöre zu denken, dass es um mich geht.

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Nur ein kleines Rädchen im Getriebe

Vorweihnachtszeit. Gefüllt mit Aktivitäten und mit Aufgaben, die darauf warten, abgehakt zu werden. Es gibt oft mehr zu tun, als der Tag Stunden hat. Hier ein Kuchen backen, dort ein Besuch, hier eine kleine Hilfeleistung, dort jemanden Zeit schenken. Und irgendwann, fast unmerklich, verliere ich die Realität aus dem Auge.
Das kleine Rädchen in einem großen Getriebe dreht sich um sich selbst. Und während es sich nur um sich selbst dreht, verliert es den Blick für das Ganze. Es sieht nur sich selbst. Es achtet nur auf seine eigenen Umdrehungen und vergisst, dass es nur ein kleines Rädchen im Getriebe ist. Je länger es sich um selbst dreht, desto wichtiger kommt es sich vor. “Ohne mich dreht hier nichts”, beginnt es zu denken. “Wenn ich nicht drehe, bleibt die Welt stehen.” Während es sich immer wichtiger nimmt, überkommt diesem Rädchen auch eine Welle von Mitleid. Es fängt sich an zu bedauern. “Immer muss ich drehen. Wenn ich nicht drehe, dreht nichts mehr und ich bin schon so müde!” Es hat die Realität aus den Augen verloren.
Wenn ich diesen Punkt erreiche und merke, dass ich mich selbst zu wichtig nehme und mich bemitleide, ist es Zeit die Perspektive zu wechseln. Es ist Zeit, wieder das ganze Bild zu sehen und mich als das zu sehen, was ich bin: nur ein kleines Rädchen im Getriebe. Am schnellsten gelingt mir der Perspektivenwechsel, wenn ich Jesaja 40 lese. Dieses Kapitel beschreibt die Größe Gottes und wo ich als Mensch stehe. Der Schreiber braucht Bilder aus dem Alltag, um zu zeigen, wer ich als Mensch bin und wie groß Gott ist.

Der Mensch ist wie Gras:
Vers 6a – 7: “Menschen sind wie Gras. Ihre Schönheit ist wie eine Feldblume. Das Gras verdorrt und die Blumen welken, wenn der Atem des Herrn über sie weht. Ja, wirklich: Das Volk ist wie Gras.”
Welch eine Ernüchterung, nicht wahr?

Die Menschheit – ein Staubkörnchen
Vers 15: "Die Völker sind in seinen (Gottes) Augen wie ein Tropfen am Eimer, wie ein Staubkorn auf einer Waage. Ferne Länder fallen bei ihm nicht mehr als ein Staubkörnchen ins Gewicht."  
Mein Dasein hat weniger Gewicht als ein Staubkorn und ich dachte, ich wäre wichtig.

Wie groß ist Gott?
Vers 16 und 17: "Die Wälder des Libanon enthalten nicht genügend Brennholz und alle seine Tiere wären nicht genug für ein Brandopfer.  Die gesamte Weltbevölkerung ist in seinen Augen nichts."

Nicht mal die wirklich wichtigen Menschen sind wichtig:
Vers 23 und 24: "Er macht die Großen dieser Welt wirkungslos und die obersten Richter zunichte. Kaum sind sie gepflanzt, kaum habe sie Wurzeln geschlagen, da bläst er über sie hinweg und sie müssen verdorren. Der Sturm trägt sie fort wie Spreu."

Wenn ich diese Verse in mir wirken lasse, bekomme ich wieder ein Blick für das ganze Bild. Ich sehe mich als das kleine Rädchen im Getriebe, dass sich Tag für Tag um sich selbst dreht. Mich überfällt eine erleichternde Müdigkeit. Ich bin nicht für alles zuständig. Das Leben dreht weiter, auch wenn ich nicht da bin. Es geht auch ohne mich. Wie befreiend ist dieser Gedanke! Wie ermüdend war es, mich für alles verantwortlich zu machen.
Diese Müdigkeit sieht Gott und hier zeigt sich seine wahre Größe. Er weiß wie klein und unbedeutend ich bin im Vergleich zu seiner Größe und trotzdem bin ich ihm nicht egal. Er kümmert sich um die Menschen wie ein Hirte um seine Schafe. Vers 11 beschreibt diese Fürsorge: "Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte: Die Lämmer wird er im Arm tragen und sie auf seinem Schoß halten, die Mutterschafe wird er freundlich leiten." Er weiß auch um meine Müdigkeit und wie kraftlos ich mich manchmal fühle: “Er gibt den Erschöpften neue Kraft; er gibt den Kraftlosen reichlich Stärke.” (Vers 29)
Ich bin nur ein kleines Rädchen im Getriebe. Wenn ich mich zulange um mich selber drehe, verliere ich die Realität aus den Augen. Wenn ich mir die Größe Gottes vor Augen führe, wird mir bewusst, dass ich weniger Gewicht habe, als ein Staubkörnchen. Dieses Bild befreit mich von meinen hohen Erwartungen an mich selbst. Es gibt einen Gott, der über alles steht und der mich trotzdem sieht und sich um mich kümmert. Ich darf müde sein und er, der große Gott, gibt mir Kraft und Stärke. Ich bin zwar nur ein Staubkorn, aber ein von Gott geliebtes Staubkörnchen!

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Seid still

Unsere Siebenjährige bastelte gestern Weihnachtskarten, nicht zum verschenken, sondern um unsere Sammlung von Weihnachtskarten zu vergrößern. Ihre Ideen für Weihnachtskarten waren etwas ungewöhnlich. Statt Sterne, Kerzen oder eine Krippenszene bastelte sie ein großes Herz mit einem freundlichen Gesicht und einen Frosch. Der Frosch, so erzählte sie mir, sagt zu den anderen Fröschen: “Seid still, Jesus ist geboren.”
Der Weihnachtsfrosch hängt jetzt zwischen den traditionellen Weihnachtskarten. Jedesmal wenn ich in sein Gesicht schaue, denke ich an die Worte unserer Tochter: “Seid still, Jesus ist geboren.” Deutlicher, klarer, direkter und treffender kann es nicht gesagt werden, worum es in der Weihnachtszeit geht. Still zu werden und das Wunder der Geburt Jesu in meinem Herzen wirken zu lassen. Nur in der Stille, werde ich das Wunder der Geburt Jesu erfassen können. Nur in der Stille, werde ich die wahre Bedeutung von Weihnachten erleben. 
Die blinkenden Weihnachtslichter, die tollen Weihnachtskarten, der geschmückte Baum, die duftenden Plätzchen im Ofen und die liebevoll verpackten Geschenke bilden nur den äußeren Rahmen der Weihnachtszeit. Sie sind die Verzierung einer besonderen Zeit, nicht der Inhalt. Der Inhalt von Weihnachten, die Füllung des äußeren Rahmen ist die Geburt Jesu. Der Sohn Gottes verließ den Himmel, um als kleines, hilfloses Kind in diese Welt zu treten. Dieses Wunder kann ich nur erkennen, wenn ich still werde. Es geht um den Inhalt, nicht um die Dekoration. Es geht um die Geburt Jesu, nicht um das weihnachtliche Drumherum.
Damals wie heute haben die Menschen dieses Wunder erleben können, die still waren. Bei der Geburt Jesu waren es die Weisen aus dem Morgenland. Sie hatten den Stern gesehen und sich auf dem Weg gemacht. Sie hatten am Himmel einen Stern gesehen und alles stehen und liegen gelassen und sich auf dem Weg gemacht. Wann habe ich zum letzten Mal alles stehen und liegen gelassen um überhaupt die Sterne am Himmel zu beobachten? Was kann ich in dieser Weihnachtszeit stehen und liegen lassen um Weihnachten in der Stille und in der Ruhe meines Herzen zu feiern?
Die Hirten auf dem Feld, fernab von der Zivilsation, erfuhren durch einen Engel persönlich, dass Jesus geboren war. In der Stille, wo nichts sie ablenken konnte, wurden sie eingeladen, das Wunder mit eigenen Augen zu sehen. In der Ruhe der Nacht, wenn alles still um mich ist, wie still es ist in mir? Habe ich, wenn alles um mich herum ruhig ist, die Ruhe, auf Gott zu hören? Oder ist es zu unruhig in mir? Zuviele Sorgen um den äußeren Rahmen von Weihnachten? Zuviel Ablenkung? Ein ruhiger Abend, ohne jegliche Störung kann in uns ein kleines Wunder bewirken.
Simon und Hanna im Tempel hatten das Vorrecht, das Wunder der Geburt Jesu mit eigenen Augen zu sehen und sogar anzufassen. Im Tempel, im Haus Gottes erkannten sie das Wunder. Nicht draußen auf dem Markt oder zuhause bei der Arbeit. In der Stille wo sie bewusst in die Gegenwart des allmächtigen Gottes traten, erkannten sie den Sohn Gottes. Sogar in der Gestalt eines Babys erkannten sie ihn. Diese Tage kam mir immer wieder das Lied “Nimm Zeit dir zur Andacht und Ruh zum Gebet”, in den Sinn. Vielleicht sollte es in der Kategorie “Weihnachtslieder” aufgenommen werden um uns daran zu erinnern, dass die wahre Bedeutung von Weihnachten in der Andacht und im Gebet gefunden werden kann. 
Alles stehen und liegen lassen wie die Weisen oder Tag für Tag in der Kirche verweilen wie Hanna und Simon ist für uns vielleicht nicht möglich. Das Leben geht weiter, das Haus will geputzt, das Essen gekocht, Kunden wollen bedient werden und Steuern müssen bezahlt werden. Momente der Stille sind auch am stressigsten Tag möglich und sei es für 10 Minuten. Für eine kurze Zeit alles ab- und ausschalten und in den Gedanken den Weg zur Krippe gehen. Vor der Krippe niederknien und das Wunder der Geburt des Sohnes Gottes mit eigenen Augen sehen. Der Sohn des allmächtigen Gottes, in Windeln gewickelt liegt in einer Krippe. So groß ist seine Liebe zu uns. Er gab sein Bestes für mich. Damit ich gerettet werden konnte. Lass es in dir wirken. Lass die Liebe Gottes durch ein kleines Baby in der Krippe in dein Herz dringen. Dann öffne die Augen und tritt wieder zurück ins Leben, in die Hektik des Alltags. Es läuft genauso weiter, aber ich sehe es mit anderen Augen. Die kurze Zeit der Ruhe und der Stille haben das Wunder der Weihnacht groß gemacht. 
Bei den Weisen war es ein Stern und bei den Hirten ein Engel, die auf die Geburt Jesu hinwiesen. Bei mir war es ein Weihnachtsfrosch, gemalt von einer Siebenjährigen, der mir sagte: “Seid still, Jesus ist geboren!”