Donnerstag, 29. Mai 2014

Ein Leben ohne schlechtes Gewissen

Diese Woche stellte ich mir vor, gewisse Wörter hätten keine Bedeutung. Noch besser: sie wären nie erfunden worden. Keiner würde sie sagen, geschweige denn kennen. Niemand würde je etwas von Ozonloch, Erderwärmung, Biogemüse, Aspartam, Cholesterin, Kalorien, 90-60-90, Typ-Stil-Farbberatung, Selbstverwirklichung oder Stress gehört haben.
Was können wir noch essen oder anziehen ohne ein schlechtes Gewissen zu haben? Kaufe ich mein Gemüse im Supermarkt muss ich in Kauf nehmen, dass die Tomaten zu viel Gift und die Gurken falsch gelagert sind und keine Nährstoffe mehr enthalten. Also kaufe ich konservierte Lebensmittel und gehe das Risiko ein, meinen Körper mit Aspartam (ein synthetisch hergestellter Süßstoff) zu schädigen. Ziehe ich mich nach der neuesten Mode an, lass ich mich von der Mode diktieren und habe keinen eigenen Stil. Ziehe ich an was mir gefällt, sind meine Problemenzonen zu sehen und ich gebe meinem Gegenüber einen falschen Eindruck von mir. Bin ich zuhause und kümmere mich um Familie und Haushalt, vernachlässige ich meine Gaben und Fähigkeiten. Verwirkliche ich mich selbst und versuche Familie, Haushalt und Beruf unter einem Hut zu kriegen, erlebe ich früher oder später Stress oder die nächste Stufe: ein Burnout (was “ausgebrannt sein” bedeutet).
Was ich auch tue, irgendetwas mache ich jedesmal falsch. Meine Frisur und Haarschnitt soll anscheinend 70% meiner Erscheinung ausmachen. Meine Hände sind meine Visitenkarte und meine Worte machen nur 10% von dem aus, was ich zu sagen habe. Ach ja, die Schuhe habe ich vergessen. Sie haben auch noch etwas wichtiges über mich als Person zu sagen. Was es ist, habe ich leider vergessen. Meine Hüften muss ich mit der Hilfe von dunklen Hosen und passend geschnittene Röcke verstecken und mein langer schlanker Oberkörper wird mit einer speziellen Bluse in Szene gesetzt, damit mein Gegenüber sich auf meine vorteilhaften Körperteile konzentrieren kann.
Was tun mit den vielen Botschaften die wir tagtäglich hören, lesen oder sehen und die uns anscheinend schöner, gesunder und glücklicher machen sollen? Bei mir verursachen sie nur ein schlechtes Gewissen. Ständig übertrete ich eine Ernährungs-, Schönheits- oder Umweltregel. Jemand wird es jedesmal besser wissen als ich und mich darauf aufmerksam, dass ich die falsche Entscheidung getroffen habe. So sitze ich da, wieder mit einem schlechten Gewissen. Das Traurige an der ganzen Sache ist, dass ich das Spiel mitspiele. Ich nehme mir die Freiheit andere für ihre Entscheidungen zu kritisieren und ihnen ein schlechtes Gewissen zu machen. So bin ich nicht alleine mit meinem plagenden Gewissen.
Wenn diese Wörter, die ich oben erwähnte, keine Bedeutung hätte. Wenn es sie nicht mal gäbe, wie würde mein Leben dann aussehen? Was würde sich ändern? Wie würde ich denken und fühlen? Wie würde ich meinen Gegenüber sehen und behandeln? Ich bin dabei eine Antwort für mich zu finden. In der Zwischenzeit esse ich Gelatine (die Aspartam enthält), mache mir einen Salat mit Tomaten aus dem Super und grille mir Fleisch unter dem freien Himmel in einem Outfit das weder der Modewelt noch meinem persönlichen Stil entspricht.

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